Elektroswing und Neoswing erobern seit ein paar Jahren die Partyszenen der Großstädte – und spalten die Gemüter. Die einen empfinden den Mix aus alten „Vintage“ Klängen und modernen Beats eine zeitgemäße Interpretation von grandioser Musik. Für andere ist es fast schon lästerlich, die gute alte Musik mit elektronischen Klängen zu mischen. Wir haben nach unserem Interview mit Neoswing-Ikone Alice Francis in der Ausgabe 15 des Vintage Flaneurs das Phänomen genauer unter die Lupe genommen.
„Ich bin lieber originell als original“
so Alice Francis im Interview mit uns. Und originell ist ihre Musik allemal. Sie ist eine Vorreiterin des Neoswings. Im Gegensatz zum Elektroswing, der sich existente Lieder aus der Vergangenheit vornimmt und Linien aus ihnen mit (oft auch recht harten) Elektrobeats unterlegt, sind die Lieder von Alice Francis selbst geschrieben und mischen an Swing angelehnte Musik mit Pop, Hiphop und anderen derzeit modernen Musikarten. So oder so – die entstehende Musik ist gut tanzbar und fasziniert viele vor allem junge Discogänger mit ihren Anleihen an die Roaring Twenties. Für viele erhält die Swingmusik dadurch das wieder, was auch die Flapper in den 20ern fasziniert haben muss: Eine Unkonventionalität und fast schon Wildheit, in der sich die Partybesucher wiederfinden. Und so boomen derzeit Elektroswingparties in so ziemlich allen größeren Städten (ein schönes Tutorial und Wissenswertes, wie man sich zu solch einer 20er-Jahre-Party styled finden Sie hier). Dies muss zwar nicht aber kann mit einer grundsätzlichen Faszination für diese Zeit einhergehen, für den fin de siecle, die Weimarer Republik, den großen Gatsby, Stars wie Josephine Baker, die Flapper. Und es ist nicht weithergeholt, Parallelen zu ziehen zwischen den 20er Jahren damals und den 20er Jahren, die gerade vor unserer Tür stehen.
Aber die schöne alte Musik
Der Neo- und Elektroswing trifft aber auch immer wieder auf ausgesprochenen Widerstand. Natürlich ist Musik per se immer auch vor allem Geschmackssache und nein, diese Musikrichtungen gefallen schlicht nicht allen. Es ist aber auch auffällig, dass offenbar das Bedürfnis besteht, die Wertigkeit der alten Klänge zu beschützen vor Kommerzialisierung und liebloser Behandlung von DJs, die ohne Sinn und Verstand Elektrobeats in alte Harmonien mischen.
Stimmen und Gegenstimmen zum Elektroswing
Wir haben uns inzwischen mit vielen Menschen über das Phänomen des Elektroswings unterhalten und wollen hier ein paar Meinungen wiedergeben:
Pro:
„Das ist doch eine tolle Art, dass die Musik nicht in Vergessenheit gerät“
„Ich finde es gut, dass junge Menschen über diesen Weg wieder aufmerksam auf die alte Zeit werden. Und irgendwie hat doch jeder mal angefangen.“
„Ich liebe die Tanzbarkeit des Elektroswings, den Schwung, die Lebendigkeit – eben genau die Mischung aus Beats und Melodien“
„Spannend, diese Mischung aus Vintage Charme und moderner Härte – passt irgendwie in diese Zeit.“
„Neben der Musik mag ich es besonders, dass sich die Leute in der Disco (vor allem auch die Männer) richtig Mühe mit dem Anziehen geben für diese Partys. Auch wenn nicht genug Geld für einen maßgeschneiderten Anzug mit Weste drin ist.“
Contra:
„Das ist doch eine Vergewaltigung der alten Musik.“
„Diese unsagbaren Verkleidungen auf den Partys.. Grauenvoll. Billige Federboas und die jungen Männer meinen auch, sie müssten sich nur ein paar Hosenträger anziehen und wären dann stilvoll gekleidet..“
„Ich habe nichts gegen Musik und Menschen. Aber ich persönlich – naja, ich stehe da und freue mich jedesmal wenn der Swingteil des Liedes losgeht und bin dann traurig, wenn der Beat zurückkommt. Das ist was ganz Persönliches, aber dann ist man eben nicht richtig bei solchen Events.“
„Ich finde es wichtig, dass Musik handgemacht ist.“
Was denken Sie über Neo- und Elektroswing? Sagen Sie uns Ihre Meinung (aber vergessen Sie so oder so Ihren Anstand bitte nicht). Bitte beachten Sie, dass die Kommentare von uns freigegeben werden müssen, was etwas dauern kann.
(Foto oben: pixabay-firelong)