Wenig wird spontan so sehr mit Retro oder Vintage in Verbindung gebracht, wie das klassische Pin-up Girl. Kein Wunder, dass wir uns diesem in Ausgabe 26 des Vinatge Flaneurs widmen. Von überall lächeln sie uns verführerisch entgegen. Die jungen Frauen in ihren oft knappen Kleidchen oder Dessous zieren Poster, Postkarten, Blechdosen und Tassen. Sie erfreuen sich bis heute wachsender Beliebtheit. Was damals als provokant galt, ist heute schick. Kaum vorstellbar, dass diese ganz spezielle Form der Malerei erst in den 1980er Jahren offiziell als Kunstform anerkannt wurde. Obwohl die Pin-up Girls vor allem in Amerika noch bis in die 1960er Jahre allgegenwärtig waren, erlebten sie ihre wahre Blütezeit im Kontext des Zweiten Weltkrieges. Wer also die Erfolgsgeschichte der Pin-ups verstehen möchte, der muss sich auch mit den beiden Weltkriegen auseinandersetzen. Denn erst im Verlauf dieser Ereignisse wurden sie zu Symbolen der amerikanischen Kultur.
Die Anfänge der Pin-up Girls: Ein neues Frauenbild entsteht
Die Wurzeln der Pin-up Malerei liegen noch vor dem Ersten Weltkrieg und sind eng mit der beginnenden Befreiung der Frauen verknüpft. Um 1900 lösten sich die Frauen allmählich von den gesellschaftlichen Normen und Zwängen, die ihr Dasein bestimmten. Sie lebten selbstbestimmter und auch selbstbewusster als zuvor. Als einer der ersten zeichnete Charles Dana Gibson diesen neuen, aufregenden Typ Frau, der sich da entwickelte. Dies tat er für die Zeitschrift Life, in der jede Woche auf einer Doppelseite ein sogenanntes Gibson-Girl gezeigt wurde.
Der Erste Weltkrieg: Das Pin-up Girl als Kriegspropaganda
Letztlich waren es dann der Erste Weltkrieg und der gezielte Einsatz von Kriegspropaganda, der für die entscheidende Weiterentwicklung der Pin-ups sorgte. 1917 gründete der amerikanische Präsident Wilson die Abteilung für Bildwerbung, dessen Direktor niemand anderes als Charles Dana Gibson wurde. Seine Aufgabe war es, passende Plakatkünstler zu finden, die ein neues Konzept der Kriegspropaganda entwickelten. In diesem Zuge entstanden die ersten Poster, auf denen die schönen jungen Frauen mit militärischer Treue und dem Sieg Amerikas in Verbindung gebracht wurden. Auch nach Ende des Ersten Weltkrieges blieben Pin-ups beliebt, doch die Welt hatte sich verändert. Der Erste Weltkrieg bedeutete für alle eine ungemeine Zäsur: er hatte die Menschen traumatisiert und den Zweifel an den so lange unhinterfragten Normen der eigenen Kultur geweckt. Auch die Pin-up Künstler blieben von diesen Umwälzungen nicht unbeeindruckt. Rolf Armstrong entwarf ab 1926 seine zeitgemäßen, sinnlichen Flappergirls und diverse Zeitschriften konkurrierten untereinander um die beliebtesten Pin-ups. Die attraktiven Pin-up Girls erreichten ein breites Publikum; sie lächelten nicht nur aus den Zeitschriften heraus, sondern auch von den begehrten Pin-up Kalendern herab. Auch der berühmte Gil Elvgren abeitete lange exklusiv für einen Kalenderhersteller.
Der Krieg als Wirtschaftsfaktor
Während des Zweiten Weltkrieges erlebte die Pin-up Malerei ihren Höhepunkt. 1942 ließ Franklin D. Roosevelt das Office of War Information einrichten. Er sprach sich in Sachen Kriegspropaganda ausdrücklich gegen Hasskampagnen und Hetze aus und plädierte für die Verbreitung positiver Botschaften. Die Soldaten sollten sich auf die Dinge konzentrieren, für die sie kämpften: die geliebte Frau und den Schutz der Familie und des amerikanischen Lebensstils. Erst in diesem Kontext konnten die Pin-up Girls zu Symbolen der speziell amerikanischen Kultur werden.
Der Krieg wurde für die Hollywood Studios und die Zeitschriftenwelt zu einem wirtschaftlichen Faktor, der schnellen Gewinn und Wachstum versprach. Die Film- und Zeitschriftenbranche erkannte in den Kriegsgeschehnissen vor allem eine gut funktionierende Werbemaschinerie, die sie mit den Pin-ups noch anfachen konnten. Die schönen Mädchen auf den Postern und Postkarten bedienten das ewig geltende Gesetz, das da heißt „sex sells“. Sie waren äußerst massenwirksam und sorgten nicht nur für die Erhaltung der sogenannten Truppenmoral, sondern auch für den wachsenden Bekanntheitsgrad der Hollywood Stars und Sternchen.
Mitte der 1950er Jahre war die Zeit der Filmzeitschriften mit den klassisch gemalten Pin-ups allmählich vorbei, die Zukunft gehörte dem Foto.
Noch zu wenig Informationen? Sie finden diesen Artikel ausführlich mit weiteren interessanten Geschichten sowie einem Exkurs zur Noseart und einer Pin-up Fotostrecke in Ausgabe 26 des Vintage Flaneurs.
Foto aus Ausgabe 26 von Vanessa Marie Fotografin, H&M und Model: Miss Cherry, Kleid via TopVintage, Schuhe: Dogo Shoes